26.6.2025

Stellungnahme eines IT-Experten zum geplanten Einsatz von Bundestrojanern in Österreich

Der geplante Einsatz von staatlicher Überwachungssoftware – sogenannten Bundestrojanern – stellt einen massiven Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger in Österreich dar.

Der Entwurf (ME 8/XXVIII. GP) gefährdet die IT-Sicherheit auf breiter Ebene und öffnet die Tür zu potenziellem Machtmissbrauch durch staatliche Organe.

Technisch gesehen bedeutet der Einsatz eines Bundestrojaners, dass der Staat aktiv Schwachstellen in Soft- und Hardware ausnutzt, um sich verdeckt Zugriff auf private Endgeräte zu verschaffen. Dazu werden sogenannte Zero-Day-Exploits verwendet – also Sicherheitslücken, die den Herstellern noch unbekannt sind. Statt diese im Sinne der IT-Sicherheit aller zu melden und schließen zu lassen, werden sie bewusst geheim gehalten.

Dies gefährdet nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch die Infrastruktur ganzer Unternehmen, Krankenhäuser, Kanzleien, Medienhäuser und NGOs.

Ein Staat, der auf diese Weise die digitale Sicherheit seiner Bevölkerung untergräbt, agiert verantwortungslos.

Doch noch schwerer wiegt die politische Dimension dieser Maßnahme. Die Einführung eines Bundestrojaners schafft ein digitales Überwachungsinstrument, das sich – selbst bei ursprünglicher rechtlicher Begrenzung – nicht mehr zuverlässig kontrollieren lässt. Die technische Möglichkeit, jederzeit und unbemerkt auf die Kommunikation, Dateien, Passwörter, Kameras und Mikrofone einer Person zuzugreifen, ist ein enormes Machtmittel.

In den falschen Händen – oder bei schleichender politischer Instrumentalisierung – kann es zum Repressionswerkzeug werden.

Es ist naiv anzunehmen, dass in einem politisch aufgeheizten Klima, wie wir es heute bereits erleben, dieses Instrument ausschließlich gegen Terroristen und Schwerkriminelle eingesetzt wird. Bereits jetzt geraten Journalist:innen, Umweltaktivist:innen, Regierungskritiker:innen und Demonstrierende regelmäßig ins Visier der Behörden.

Einmal etabliert, könnten Bundestrojaner auch gegen Personen eingesetzt werden, die von der jeweiligen Regierung oder Partei als „Störenfriede“, „Systemkritiker“ oder „Extremisten“ etikettiert werden – auch wenn sie nur ihr demokratisches Recht auf Kritik und Meinungsäußerung wahrnehmen.

Wir müssen an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit vor den historischen Parallelen warnen. In der DDR waren es die „Zersetzungsmaßnahmen“ der Stasi, mit denen Andersdenkende systematisch überwacht, diskreditiert, isoliert und letztlich gebrochen wurden. Menschen, die nicht linientreu agierten, wurden mithilfe von Spitzelberichten, Abhörmaßnahmen und psychologischer Zermürbung mundtot gemacht. Die technische Ausstattung war damals primitiv – das Vorgehen war dennoch effektiv, zerstörerisch und totalitär.

Was heute mit digitalen Mitteln wie dem Bundestrojaner möglich wäre, geht weit über das hinaus, was der DDR-Staatssicherheitsdienst je leisten konnte.

Ein moderner digitaler Überwachungsapparat hätte das Potenzial, jedes Gerät in ein Abhör- und Spionagewerkzeug zu verwandeln.

Wenn diese Instrumente in die Hände einer Regierung gelangen, die Kritik nicht aushält, ist der Weg in eine digitalisierte Form von Repression geebnet.

Das darf in Österreich niemals Realität werden.

Als IT-Experte, Demokrat und Bürger dieses Landes fordere ich deshalb unmissverständlich:

den vollständigen Stopp des geplanten Bundestrojaner-Gesetzes,

ein ausdrückliches Verbot staatlich eingesetzter Schadsoftware zur Überwachung,

die gesetzliche Verpflichtung zur Meldung und Behebung von Sicherheitslücken,

volle Transparenz und parlamentarische Kontrolle über alle digitalen Überwachungsbefugnisse,

sowie eine verfassungsrechtliche Klarstellung, dass digitale Privatsphäre denselben Schutz genießt wie Wohnung und Briefgeheimnis.

Ein Staat, der die eigene Bevölkerung technisch infiltriert, verliert seine moralische Autorität.

Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sicherzustellen, dass sich Geschichte nicht wiederholt – und dass sich digitale Überwachung in Österreich niemals zu einem Werkzeug politischer Machtausübung gegen Andersdenkende entwickeln kann.

Die Freiheit stirbt nicht plötzlich – sie stirbt in kleinen, „technisch notwendigen“ Schritten. Lassen wir es nicht so weit kommen.

Quelle https://www.parlament.gv.at/

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